Rotkäppchen pflegt Großen Bösen Wolf gesund?

Nadine Groß (Praktikantin)

13.06.2019

 

Die Wölfe in freier Wildbahn haben es wirklich nicht leicht. Täglich haben sie sich durchzukämpfen in einer Welt, in welcher sie mit unterschiedlichsten Gefahren konfrontiert werden. Sie müssen ihr Territorium vor rudelfremden Wölfen verteidigen. Auf der Jagd müssen sie stets das Risiko eingehen, verletzt zu werden, da sie wehrhafte Beute niederringen müssen, um sich selbst sowie auch das restliche Rudel mit Futter zu versorgen und nicht zu verhungern. Auf Wanderungen stellt sich häufig der Straßenverkehr als tödliches Risiko heraus. Und auch der Schuss eines Jägers bereitet leider noch immer so manchem Wolf, selbst wenn dieser unter Schutz steht, ein Ende. Doch ist es auch möglich, dass ein Wolf einer Krankheit erliegt. Denn was den Wölfen in freier Wildbahn fehlt, ist eine medizinische Versorgung.

Den Wölfen des Wolfsforschungszentrums (WSC) geht es in dieser Hinsicht tatsächlich sehr gut. Manchmal fragen Besucher des WSC, ob wir unsere Wölfe medizinisch behandeln. Beantworten wir diese Frage mit einem Ja, so reagieren manche der Besucher zunächst überrascht, denn sie sind der Meinung, dass das unnatürlich sei, da die Wölfe in freier Wildbahn ja schließlich auch keine medizinische Versorgung erhalten. Also warum werden die Wölfe des WSC behandelt? Nun ja, die Wölfe des WSC leben nun mal nicht in freier Wildbahn. Und sind sie krank oder brauchen beispielsweise beim Fellwechsel Unterstützung, so wird sich um die betroffenen Tiere so gut wie möglich gekümmert. Die Tiere des WSC liegen wirklich allen sehr am Herzen. Ihr Wohl steht an erster Stelle!  

Viele von Ihnen haben bestimmt ein Haustier zu Hause. Und daher wissen sicherlich einige von Ihnen, wie schwierig es sein kann, seinem über alles geliebten Haustier, dem man doch nur Gutes will (wie um Gottes Willen erklärt man das aber seiner Miezekatze oder seinem Bello?), eine Tablette zu geben. Auch wenn das ein oder andere Tier dabei weniger Probleme bereitet, so muss man bei manchen doch ziemlich tief in die Trickkiste greifen. Wie das bei unseren Tieren des WSC abläuft?

Die Hunde sind in der Regel einfacher als die Wölfe. Manchmal statte ich dem Hund Gombo und seiner Freundin Haida noch abends einen Besuch ab, um Gombo seine Tablette zu geben. Pünktlich werde ich dann bereits von den beiden mit Schwanzwedeln begrüßt. Sie haben bereits auf mich gewartet. Schon im Vorfeld habe ich Extrawurststückchen vorbereitet, in welche ich jeweils ein kleines Loch gestochen habe, um eine Tablette darin zu verstecken. Ist Gombo skeptisch, biete ich ihm die Wurst mit der versteckten Tablette an? Nein, er und vor allem auch Haida gehören zu der Sorte Hund, die mir alles aus der Hand fressen würden und freuen sich wirklich über jedes Leckerli, das ich ihnen bringe. Und folglich verschwinden die Wurststückchen ziemlich schnell in ihren Mäulern. Haida bekommt natürlich auch ein Stückchen Wurst. Sie soll nicht leer ausgehen. Anschließend sind beide glücklich und zufrieden über meinen Besuch und ich mache mich mit einer schlabbrigen Hand, die mir Gombo verpasst hat, auf den Weg zu den Wölfen Nanuk und Una…

Bei den Wölfen läuft das ganze schon etwas anders ab. Den liebenswerten Nanuk zählen wir bereits zu unseren älteren Herren. Das Alter geht nicht ganz spurlos an ihm vorbei und deshalb braucht auch er hin und wieder ein Medikament. Ausgestattet mit Nanuks liebsten Trockenfutter, Extrawurst und dem bestem Hasenfilet musste man zu Beginn meines Praktikums ausrücken und hoffen, dass sich der Herr dazu bereit erklärt, zum Zaun zu kommen und seine Medizin zu schlucken. Doch seit den letzten Wochen macht er sich tatsächlich sehr gut, erwartet mein Kommen, freut sich sehr über meine Besuche und verschlingt eine jede Wurst mit versteckter Tablette, die ich ihm anbiete. Manchmal kann er es kaum erwarten, bis ich ihm das nächste Stückchen gebe und er beginnt mit seiner Pfote vor lauter Ungeduld zu scharren. Hin und wieder kommt es vor, dass er eine Sonderbehandlung fordert, bevor er sein Medikament nimmt: Eine ausgiebige Streicheleinheit durch den Zaun! Ja, eine blutrünstige Bestie lässt sich nun wirklich nicht in Nanuk erkennen. Er ist unser Schmusebär.

So mancher Wolf am WSC gibt sich mit keiner Wurst zufrieden oder lässt sich mit dieser nichts vormachen. So kam es beispielsweise schon vor, dass die Wurst oder auch ein Stück Fleisch, in welches eine Tablette eingerollt werden kann, so lange geschüttelt wurden, bis die Tablette zu Boden fiel und Wurst oder Fleisch ohne Medikament verschlungen werden konnten. In diesem Fall bekommt der Wolf eine „Extrawurst“:  Ein begehrtes Küken! Aus der Kühlkammer herausgeholt und aufgetaut, reißt man dem auserwählten Küken seinen Kopf ab. Den Schnabel aufgemacht, schiebt man ihm die Tablette in den Rachen, bevor man den Schnabel wieder schließt, um die Tablette sicher darin zu verpacken. Im Vergleich zu Nanuk ist seine Partnerin Una etwas scheuer und benötigt hin und wieder etwas Zeit und Überzeugungskraft, bis sie kommt und den Kükenkopf frisst. Und so beginnt man hochmotiviert und mit hoher Stimme zu rufen: „Uuuniii!“ oder auch: „Unibuni!“ (ihr Spitzname, der sich sogar schon in den Kalender der Mitarbeiter schlich). Kommt sie schließlich, frisst den Kükenkopf sogar noch aus der Hand und schenkt dir etwas von ihrem Vertrauen, so geht ein weiterer wundervoller Tag am WSC zu Ende!